13. Mai 2012

Leoparden küßt man nicht

Kino | »L’Odyssée de Cartier« von Bruno Aveillan (2012)

13, rue de la Paix: In der Schaufensterdekoration des Pariser Juweliers Cartier erwacht, von göttlichem (?) Lichtstrahl getroffen, ein diamantener Leopard zu schillerndem Leben. Die elegante Raubkatze springt durch eine imaginäre Glaskuppel, bricht auf zu einer phantastisch-sentimentalen Reise rund um den Globus: durch ein glitzernd-verschneites Rußland, ein von goldenen Drachen beherrschtes China, ein legendäres Indien der Maharadschas und Prachtelefanten; von dort, mit dem Aeroplan des brasilianischen Flugpioniers Santos Dumont, zurück in die erstaunlichste Stadt des Universums, in die Kapitale einer immerwährenden Belle Époque, genauer gesagt auf das Dach des Grand Palais und weiter über die hochklassisch-barocke place Vendôme in einen kostbaren Salon Louis XVI, der, wohl nicht von ungefähr an die Schlußsequenz von Stanley Kubricks Science-Fiction-Edelstein »2001: A Space Odyssey« mit seiner gleißenden Vision der ewigen Wiederkehr erinnert. Der Leopard aber, diese stolze, weitgereiste Kreatur, läßt sich von einer schönen, reichen Frau streicheln und verschwindet handzahm in der erlesenen Geschenkbox des prominenten Schmuckverkäufers. Interessant, wie sich die ungeheuer aufwendige Beschwörung von handwerklicher Tradition und künstlerischer Inspiration mit dem gezielt kühlen Blick auf die Märkte der BRIC-Staaten verbindet, die im Jahre 2001 (!) vom Ökonomen Jim O’Neill als potente Kundschaft der Zukunft ausgemacht wurden. Paris, so scheint es, fügt sich endgültig (vielleicht stellvertretend für das ganze »alte Europa«) in jenes Schicksal, das ihm einst Adolf Hitler zugedacht hatte: Galanteriewarenladen der Welt zu werden.

4 Kommentare:

  1. Und ich wollte bereits ernsthaft nach der genauen Stelle nachfragen, an der sich der Claviculus intercostalis befindet. :blush: Katastrophe knapp abgewendet. ;)

    AntwortenLöschen
  2. »Isn't it fun, just like a game.« … Dafür mußte ich erst einmal *rotwerd* googeln, was es mit den dem Claviculus intercostalis auf sich hat. Dabei bin ich immerhin auf das obige Zitat von Susan Vance gestoßen. :D

    AntwortenLöschen
  3. Wir beachten ihn vor lauter hintergründigem Sex einfach zu wenig, den Claviculus. Dabei erweist er sich doch als unentbehrlich, wenn es um das geht, was der englische Titel so offensichtlich als Ziel bezeichnet. ;)

    AntwortenLöschen
  4. Das ›Baby‹ für die subtilste Anzüglichkeit des Abends geht an … Whoknows. :)

    AntwortenLöschen