17. Oktober 2015

Blut ist dicker als Wasser

Kino | »Crimson Peak« von Guillermo del Toro (2015)

»Wenn jemand seine Schwester nimmt und ihre Blöße schaut und sie wieder seine Blöße, das ist Blutschande. Die sollen ausgerottet werden vor den Leuten ihres Volks.« 3. Mose 20, 17 … Wie so manch anderer Gruselfilm ist auch »Crimson Peak« in erster Linie ein Melodram. Die knallrote Blutrünstigkeit des Werkes korrespondiert mit der elementaren Zerstörungskraft, die aus der vollkommen entgrenzten Beziehung zwischen den unglücklich Liebenden resultiert. Leider dient die maßlose Leidenschaft nur als Unterfutter eines mit zahlreichen Geistererscheinungen verbrämten halbgaren Thrillerplots, der das erzählerische Potential einer Begegnung von Alter und Neuer Welt gleichfalls weitgehend unberücksichtig läßt. (Einmal mehr steht (adlige) Degeneration gegen (gutbürgerliche) Lebenskraft.) Vielleicht hätte Guillermo del Toro nicht seine ganze gestalterische Energie in die bis zur Karikatur forcierte Ausmalung der viktorianischen Spukkulisse (Bauten: Thomas E. Sanders) und in die Choreographie eines schier endlosen Schlitz– und Stechfinales fließen lassen sollen – dann wäre ihm möglicherweise auch zur dramaturgischen Auflösung des, nun ja, Rätsels etwas mehr eingefallen, als sämtliche Beweismittel hübsch geordnet in einem auf Öffnung wartenden Schrankkoffer zu deponieren.

12. Oktober 2015

Everybody knows …

Kino | »The Program« von Stephen Frears (2015)

… that the dice are loaded, singt Leonard Cohen, als der Abspann beginnt. Alle wissen es: daß die Würfel gezinkt sind, daß die Guten den Kampf verloren haben, daß das Ergebnis von vornherein abgesprochen war. Stephen Frears’ Film handelt davon, daß die Machenschaften jedermann bekannt sind, und daß (bis auf wenige Ausnahmen) niemand ein Interesse an deren Enthüllung hat: weil es noch nie anders lief, und weil, wer mitmischt, nicht schlecht von der Schiebung lebt. Wie zum Beispiel der ehrgeizige US-amerikanische Radsportler Lance Armstrong (mit gefährlich engstehenden Augen: Ben Foster), der wundersamerweise siebenmal in Folge die Tour de France »gewinnt«. Eine Erzählung ohne psychologisierende Schnörkel, ohne weichherzige Entschuldigung, ohne schnappatmige Empörung. Einfach nur eine elegante soziopathologische Fallstudie, die nicht verschweigt, daß auch die (gelegentliche) spektakuläre Enthüllung der großen Lüge nichts anderes ist als ein notwendiger Bestandsteil des betrügerischen Programms. »That's how it goes / Everybody knows.«