20. November 2011

Die Herren Analytiker geben sich die Ehre

Kino | »A Dangerous Method« von David Cronenberg (2011)

Ein seelenkundlicher Truffe du Jour aus der guten alten Zeit: Vor 1914 schien immer die Sonne, sanft wogten die Wellen auf dem See, der Rasen war stets frisch gemäht, die Doktoren trugen ordentlich getrimmte Bärte, die Fenster der Nervenkliniken boten herrliche Ausblicke, selbst eine Hysterikerin, die sich im Krampfanfall wand, blieb recht appetitlich anzusehen. Natürlich kannte die hochherrschaftliche Welt von Gestern auch Spannungen: Da war zum Beispiel ein psychiatrischer Vater-Sohn-Konflikt, ausgetragen in (mündlich wie schriftlich) wohlgesetzten Worten, oder auch die unerlaubte Leidenschaft eines Arztes für eine seiner Patientinnen, eine Begierde indes, die – noch wenn zur Lustbefriedigung der Ledergurt geschwungen wurde – stets Formbewußtsein wahrte. »A Dangerous Method«, die episodische Erzählung über diese (und andere) Ereignisse in den Praxen von Dr. Carl Gustav Jung (Zürich) und Dr. Sigmund Freud (Wien), umspannt rund ein Jahrzehnt, ein Zeitraum, der dem Zuschauer (besser gesagt: Zuhörer) von David Cronenberg durch die stilvolle Behäbigkeit der Inszenierung eindringlich erfahrbar gemacht wird. In den schönen, leeren Bildern bleibt viel Raum für eigene Gedanken, Assoziationen, Reminiszenzen. Zum Beispiel die Erinnerung an einen Dialog aus »Manhattan«: »Sie nennen Ihren Psychoanalytiker Donnie?« – »Ja.« – »Ich nenne meinen Doktor Chomsky. Sonst schlägt er mich mit dem Lineal.«