6. Juli 2018

Standbild (18)

Lumpen

Innen. Fabrikhalle. Abend. Im Raum stehen neben einem hüfthohen Holzbottich von etwa zwei Meter Durchmesser, aus dem die beiden oberen Blätter eines propellerartigen Rührwerks ragen, zahlreiche Maschinen, die während der Werkstunden von diagonal durch die Halle laufenden Transmissionsriemen angetrieben werden. Aus dem gekalkten Ziegelmauerwerk streben schlichte langarmige Gasleuchten hervor, in deren bauchigen Glaskolben schwache Lichter brennen. Der Blick durch die metallenen Sprossenfenster geht zur Rechten in den Hof des Gebäudes, im Hintergrund in die angrenzende Produktionshalle. Eine eng gewendelte Treppe führt ins Obergeschoß. Schlanke gußeiserne Säulen tragen die hell verputzte Kappendecke, unter der sich große, mit Schnüren zusammengebundene Packen aus zerschlissenen, verschmutzten, in Fetzen gerissenen Stoffresten türmen. In einem schmalen Spalt zwischen den hoch aufgestapelten Bündeln liegen ein schwarzglänzender Zylinder und ein mit weißen Straußenfedern reich besetzter Kapotthut. Die eleganten Kopfbedeckungen gehören dem Fabrikbesitzer und der Dame seines Herzens, die, für den Beobachter unsichtbar, in einer versteckten Kuhle des zerklüfteten Textilgebirges ein heimliches Schäferstündchen halten. An derselben Stelle wird der Fabrikbesitzer wenige Tage später einen jungen Arbeiter bemerken, der seiner von täglicher Mühsal fast bis zur Bewußtlosigkeit erschöpften, hochschwangeren Frau beisteht, um die beiden sogleich voller Empörung wegen Unzucht zu entlassen.