11. Oktober 2016

Standbild (13)

Wissenschaft

Innen. Operationssaal. Nacht. Die makellos weißen Wände und der spiegelnde Linoleumboden verleihen dem hohen fensterlosen Raum eine sterile Atmosphäre. Auf der linken Seite befinden sich eine mehrteilige elektronische Schaltanlage, ein Wandschrank mit gläsernen Türen, im dem sich zahlreiche Flaschen auf schmalen Regalböden reihen, außerdem ein emailliertes Kontrollpult mit einer Vielzahl von Knöpfen und Reglern sowie ein kühlschrankgroßes Aufzeichnungsgerät, dessen breite schlitzartige Öffnung einen mit mehreren parallellaufenden Meßkurven bedruckten Papierstreifen ausgibt. Rechts steht ein etwa zwei Meter hoher, organisch gebogener Wandschirm aus halbtransparenten senkrechten Kunststofflamellen. Dahinter ist schemenhaft ein höhenverstellbarer Operationstisch zu erkennen, über dem eine halbkugelförmige, innwandig verspiegelte Lampe hängt. Die Mitte des Raumes beherrscht eine komplizierte technische Installation, deren Zentrum ein doppelstöckiges Gestell aus dünnem runden Stahlrohr bildet. Die filigrane Etagere umgeben zwei Gasflaschen und drei Stangen, an denen zylindrische, mit unterschiedlichen Substanzen gefüllte Infusionsgefäße befestigt sind. Das untere Fach des offenen Gestells enthält einen quaderförmigen Glaskasten, in dem eine wasserklare Flüssigkeit sprudelt. Dutzende von durchsichtigen Schläuchen in verschiedenen Stärken verbinden die diversen Behältnisse sowie ein bogenförmig über die obere Platte der Etagere ragendes Gebilde in der Form eines Brausekopfs mit dem in einer viereckigen Gummimanschette ruhenden Kopf eines Mannes von ungefähr siebzig Jahren. Struppige graue Haare umrahmen die fleischigen Gesichtszüge, ein kräftiger Schnauzbart überwölbt den zum Schreien geöffneten Mund. Aus aufgerissenen Augen betrachtet er sich selbst, das heißt sein vom Körper abgetrenntes Haupt, in einem hohen rechteckigen Spiegel. Links neben dem Spiegel steht, mit einem weißen Arztkittel bekleidet, ein blonder Mann mit markanten Augenbrauen, der zufrieden lächelnd auf den schreienden Kopf blickt. Der Mann in Weiß ist etwa halb so alt wie das willenlose Objekt seines Experiments, ein genialer Wissenschaftler, dem es gelungen war, den vom Rumpf geschiedenen Kopf eines Hundes in der von ihm konstruierten, mit einer Nährlösung namens »Serum Z« gespeisten Apparatur über mehrere Monate hinweg am Leben und bei Bewußtsein zu erhalten, und der nun am eigenen Leib das nämliche Schicksal erfährt.

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