Noch ein Meisterwerk von Rudolf Thome (Regie) und Max Zihlmann (Buch)
Vor langer Zeit habe ich über drei Filme von Thome und Zihlmann geschrieben (hier) – heute geht es um ein weiteres Werk des Gespanns, mit dem die fruchtbare Zusammenarbeit zu einem vorläufigen Abschluß kam. Der Text versteht sich auch als kleines Memento für Roger Fritz und Max Zihlmann, zwei Protagonisten der »Münchner Schule«, die beide unlängst verstorben sind. 1972
| »Fremde Stadt«
»Man with a million – but what to do?« Ein Mann (Roger Fritz) kommt mit dem Intercity am Münchner Hauptbahnhof an. Souverän bewegt er sich durch die Menge, groß, gutaussehend, mittellanges Haar, Trenchcoat. Er nimmt ein Taxi und läßt sich zu irgendeinem Hotel fahren. Es ist ihm egal, wo er wohnt: »Ich bin fremd hier.« Den Koffer trägt er lieber selbst aufs Zimmer. Darin sind zwei Millionen D-Mark, die Beute eines Banküberfalls in Düsseldorf. Der Mann – ein gewesener stellvertretender Filialleiter, der den eigenen Tod im Indischen Ozean inszenierte – betrachtet sein Gesicht im Spiegel und sagt zu sich: »Philipp ... Philipp Kramer. Ich glaube, wir werden gut miteinander auskommen.« Der Mann begibt sich auf die Suche nach einer Frau, Sybille Lerchenfeld, seiner Verflossenen (Karin Thome), die ihn unter dem Namen Franz kannte. Er trifft sie mit dem gemeinsamen Sohn vor einer Schule. Sie fragt: »Phlipp Kramer – wer ist das?« Er antwortet: »Ein Mann mit Zukunft.« ... Eine B-Film-Variation in Schwarzweiß und CinemaScope, ein ironisch-saloppes Spiel mit Motiven und Settings, mit Klischees und Schablonen, ein Kriminalfilm ohne vordergründigen Thrill (»Würdest du auf jemanden schießen?« – »Das kann man vorher nicht sagen.«), ein Beziehungsfilm ohne menschliches Drama (»Na, du Bankräuber.« – »Gangsterbraut!«), ein Genrefilm ohne gattungsmäßige Festlegung (»Das ist alles zu viel für mich.« – »Für mich auch.«). Thome und Zihlmann erzählen einerseits trocken, fast emotionslos registrierend, andererseits voller Lust auf Abschweifungen, mit aller Zeit der Welt für Randbeobachtungen und Nebenfiguren, wie etwa den Zimmerkellner, der eigentlich Schauspieler werden wollte, die Barbekanntschaft, die Captagon einwirft, um beim Flirten nicht einzuschlafen, den Untermieter, der Zierfische züchtet und damit eines Tages reich zu werden hofft. Verwicklungen ergeben sich durch weitere (mehr oder weniger schrullige) Personen, die dem Raubgut nachjagen: ein Kriminalbeamter, der Spekulationsschulden zu begleichen hat, ein anderer Polizist, der von einer Weltumseglung träumt, ein Gaunerpärchen, das im Porsche Ralleys fahren will. Geld als Projektionsfläche für Wünsche, Bedürfnisse, Sehnsüchte, als Treibstoff für Verwandlungen: »Ich bin ein anderer«, erkennt Philipp alias Franz, der als neuer Mensch in Liebes- und Lebensdingen an früher anknüpfen kann, ohne in alte Muster zurückzufallen. Als es nach einer Verfolgungsjagd durch die labyrinthische B-Ebene unter dem Stachus zum Showdown auf der benachbarten U-Bahn-Baustelle kommt, wirkt das Geld gar als mirakulöser Impulsgeber für eine (zunächst im kleinen Kreis erprobte) soziale Utopie: »Warum teilen wir nicht?« – »Ja, warum nicht?« – »Wir fangen am besten mit den großen Scheinen an.«