25. Juni 2014

Shadows of Noir

Zwei Filme von Irving Lerner

1958 | »Murder by Contract«

»Now why would a stranger kill a stranger? Because somebody’s willing to pay. It's business.« Claude (Vince Edwards), ein adretter junger Mann mit sicherer Stellung und akzeptablem Gehalt, möchte sich verbessern: »I want to be a contractor.« Claude hat einen Traum: ein Haus am Fluß. Jeder Auftrag bringt ihm 500 $. So rückt das Ziel in greifbare Nähe: »When you do a good job, the money comes.« Nachdem er sich – in kurzen, elliptisch gestalteten Episoden – mehrfach bewährt hat (unter anderem durch Beseitigung seines Anwerbers), wird der umsichtige Killer (»I don’t make mistakes.«) nach Los Angeles geschickt, wo er, unterstützt und überwacht von zwei Komplizen, einen Kronzeugen vor der gerichtlichen Vernehmung eliminieren soll … Ein kühler Thriller, schnell produziert, ohne formale Schnörkel, eine existenzialistische Farce voll makabrer Komik und absurder Situationen, das lakonische Porträt eines Loners, der von sich behauptet, jedes persönliche Gefühl ausgeschaltet zu haben: »I feel hot, I feel cold, I get sleepy, and I get hungry.« Claude beginnt bezeichnenderweise die Kontrolle in jenem Moment zu verlieren, da er erfährt, daß der abzuservierende Zeuge eine Zeugin ist: »I don’t like women. They don’t stand still.« Irving Lerner und sein Kameramann Lucien Ballard (der auch Stanley Kubricks meisterlichen Spät-Noir »The Killing« fotografierte) geben diesem B-Movie das Gepräge eines grotesken (Genre-)Totentanzes mit parodistischem Unterton: Eine der schönsten Szenen von »Murder by Contract« spielt in den schäbigen Kulissen eines aufgelassenen Hollywood-Studios. Die kongeniale Endspiel-Musik von Perry Botkin zitiert Anton Karas’ legendären Wiener Zithersound: Ein grandioser, minimalistisch-melancholischer Gitarrenscore (die Tracks tragen so wunderbare Titel wie »The Executioner Theme« und »Waltz of the Hunter«) vereinigt, ebenso wie Lerners souveräne Regie, ironisch gebrochenes Pathos und todtraurigen Humor.

1959 | »City of Fear«

»I’m not an animal. I’m a person. I want things.« Vince Ryker (Vince Edwards), entflohener Sträfling aus San Quentin, taucht in Los Angeles unter. Seine ganze Habe ist eine gestohlene Metallbüchse, von der er annimmt, sie enthalte ein Pfund reinen Heroins – in Wirklichkeit aber birgt sie hochradioaktives Cobalt-60. Verschlossen bedeutet der Behälter den sicheren Tod für seinen nichtsahnenden Besitzer, würde der Deckel geöffnet, bestünde akute Kontaminierungsgefahr für die Millionenstadt … Irving Lerners straffes Krimidrama zeigt in wirkungsvollen Parallelmontagen die kriminelle Geschäftstätigkeit des vergifteten, immer schwächer werdenden Flüchtlings (der glaubt, sich eine schwere Erkältung eingefangen zu haben) und die zunehmend verzweifelten (vor der Öffentlichkeit geheimgehaltenen) polizeilichen Anstrengungen, das verhängnisvolle Gefäß aufzuspüren. Überhaupt bestimmen gestalterische Kontraste die Inszenierung: Kameramann Lucien Ballard kombiniert die statische Tristesse steriler Innenräume mit hektischen Autofahrten durch die Stadt, mischt funktionale On-location-Fotografie und expressive Low-key-Aufnahmen; die fulminante Tonspur verbindet Jerry Goldsmiths bald fiebrig treibende, bald gespenstisch schwebende Musik mit dem aufgeregten Sirenengeheul der Einsatzwagen und dem unheilverkündenden Knirschen der Geigerzähler. Dabei steuert »City of Fear« (dessen Story Erinnerungen an zwei andere Nuklear-Thriller wachruft: Matés fatalistischen »D.O.A.« und Aldrichs exaltierten »Kiss Me Deadly«) ohne Umschweife auf sein süffisantes Ende zu: Vince, starrsinnig davon überzeugt, das große Los gezogen zu haben, klammert sich bis zuletzt, keuchend, schwitzend, stöhnend, an sein Verderben: »It’s worth a million!«

2 Kommentare:

  1. Ein kühler Thriller, schnell produziert, ohne formale Schnörkel, eine existenzialistische Farce voll makabrer Komik und absurder Situationen, das lakonische Porträt eines Loners, der von sich behauptet, jedes persönliche Gefühl ausgeschaltet zu haben

    Ah, hochinteressant. Ich hab mich schon lange gefragt, ob BLAST OF SILENCE vom Himmel fiel, oder ob es da Vorläufer gibt. Das scheint einer zu sein.

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    1. »Blast of Silence« ist eine von diesen peinlichen Lücken, die ich endlich mal schließen müßte … In einigen Artikeln, die ich im Netz gefunden habe, werden die beiden Filme tatsächlich in einem Atemzug genannt.

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