31. Juli 2013

Das schöne Nichts

Kino | »La grande bellezza« von Paolo Sorrentino (2013)

Ein Klatschreporter in Rom, seine langen Nächte und seine kurzen Tage, sein Scharfblick und seine Ambition, seine fehlgeleitete Sensibilität und seine unproduktive Leidenschaft – wer dächte da nicht an Marcello Rubini, an Federico Fellini, an »La dolce vita« … Paolo Sorrentino verleugnet das Vorbild nicht, schon der Titel seines Filmes klingt ja wie eine Variation, wie ein Echo; sein Held allerdings ist nicht mehr in den besten Jahren, er begeht seinen 65. Geburtstag. Jep Gambardella (Toni Servillo), der vor Jahrzehnten einen einzigen, gefeierten Roman (»L’apparato umano«) schrieb, steht nicht mehr mitten im verpfuschten Leben, er blickt – amüsiert, bestürzt, zynisch, nostalgisch – auf die durchgebrachte Existenz zurück. Eine groteske Zirkustruppe bevölkert das fetzenhafte Geschehen rund um den intellektuellen Dandy: Adel und Klerus, Partyvolk und Medienhuren, Zwerge und Fleischberge, Powerfrauen und Hampelmänner feiern ein Fest, das nie zu Ende geht – ungreifbare Ewigkeit in botoxstarrer Gegenwart. Die gähnenden Oberflächen und die glänzenden Abgründe, die Sorrentino präsentiert, rufen einen weiteren Meister des italienischen Kinos ins Gedächtnis: Wie die Werke Michelangelo Antonionis spricht »La grande bellezza« von luxuriöser Isolation und durchdesignter Entfremdung, von berührungsängstlicher Unentschiedenheit und Kälte inmitten hektischen Trubels. Mehrfach, und das ist wohl kein Zufall, bringt Jep, dieser große Zampanò der schäbigen Schönen und der armen Reichen, zudem Gustave Flaubert ins Gespräch, erzählt von dessen Traum, einen Roman über nichts zu schreiben. Und tatsächlich, Paolo Sorrentino ist es in gewisser Weise gelungen: Er hat einen großen, schönen Film über nichts gemacht, einen Film über die Leerjahre des Herzens, über die Verschleuderung der Gefühle; sentimental wie er ist, läßt Sorrentino Glaube, Hoffnung, Liebe am Ende dennoch nicht fahren, zeigt Flamingos, die sich wundersamerweise auf einer römischen Dachterrasse niederlassen, zeigt eine hundertjährige Heilige auf dem Weg zu ihrem Heiland, zeigt eine träumerische Fahrt auf dem Tiber, zur Burg der Engel, zeigt die Reise eines Verlorenen, ans Ende der Nacht, zurück zu den Wurzeln.

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