19. Dezember 2015

Infinite Quest

Die Indiana-Jones-Filme

1981 | »Raiders of the Lost Ark«

»Don't look at it, no matter what happens!« Dr. Henry ›Indiana/Indy‹ Jones entspricht nicht unbe­dingt dem landläufigen Bild eines Archäologen, auch seine wissenschaftlichen Methoden sind eher unorthodox als traditionell: Wo seine Kollegen mit Kelle und Pinsel hantieren, schwingt Indy lieber die Peitsche. Der ausgesprochen präsent wirkende amerikanische Altertumsforscher erscheint als überlebensgroßes Abziehbild des rastlosen Abenteurers, als Kreuzung aus gelehrtem Haudrauf und unbeugsamer Gentleman, als kinogewordener Jungentraum von Weltenbummel und Nervenkitzel, Sexappeal und Durchschlagskraft. Harrison Ford bringt sowohl die physische Präsenz als auch die notwendige Lässigkeit mit, um der unwiderstehlichen Figur überzeugend (ein ziemlich ereignisreiches) Leinwandleben einzuhauchen. Indiana Jones’ filmischer Wirkungskreis sind die 1930er Jahre, das Jahrzehnt, dem die unmittelbaren Vorbilder der Schöpfung von Produzent George Lucas, Regisseur Steven Spielberg und Drehbuchautor Lawrence Kasdan entstammen: die furchtlos-romantischen Helden der serial movies und der pulp magazines. Es ist eine Welt der idealistischen Entdeckerfreude und des offenherzigen Chauvinismus, eine bei aller historischen Bewegtheit rührend unschuldige Welt, in die allerdings kommendes Unheil seine braunen Schatten vorauswirft: Nach einem Prolog in Südamerika gerät Indy an fiese Nazi-Schurken (umstandslos dem Hollywooder Stereotypen-Panoptikum entliehen), die sich zur Realisierung ihrer arisch-irren Welteroberungspläne (ausgerechnet!) eines eminenten israelitischen Kultgegenstandes bemächtigen wollen. Daß Indiana Jones und sein love interest Marion Ravenwood (burschikos: Karen Allen) die Bundeslade, den Aufbewahrungsort der von Gott an Moses übergebenen Gesetzestafeln, nicht in die Hände der deutschen Erzhalunken und ihres öligen französischen Komplizen fallen lassen, versteht sich von selbst – denn: »An army which carries the Ark before it ... is invincible.« Gekonnt verbindet Spielberg Mythos und Klischee zu einem geradlinig-atemlos erzählten, gestalterisch üppig aufgebauschten B-Film voller Ironie und Dramatik.

1984 | »Indiana Jones and the Temple of Doom«

»Oh my God! Oh my God, is he nuts?« Es beginnt höchst programmatisch mit einer chinesischen Cover-Version des Cole-Porter-Songs »Anything Goes«, wobei sich die Bühne eines zweitklassigen Schanghaier Amüsierschuppens in eine überdimensionale Broadway-Show verwandelt. Von dieser kreativen Prämisse ausgehend, lösen sich Steven Spielberg und seine Autoren Willard Huyck & Gloria Katz elegant von Naturgesetzen und narratorischen Sinnfragen, um einen reißenden Strom ungebremster filmischer Energie zu entfesseln, der die Figur des Indiana Jones mit ein paar heiligen Steinen, den Gefahren eines unterirdischen Tempellabyrinths und den blutrünstigen Mitgliedern einer indischen Todessekte konfrontiert. Der Rettungssprung mit einem Schlauchboot aus einem abschmierenden Flugzeug stellt in diesem Universum kein wirkliches Problem dar, ein Bergwerk wird unversehens zur Achterbahn, und die Kavallerie kommt, wenn man sie braucht. Ein konsequenter Plot? Warum? Ein plausibles Thema? Wozu? Wir haben einen Helden mit Peitsche! Wir haben eine kreischende Blondine! (Kim Cattrall als Tingeltangel-Diseuse Willie Scott) Wir haben ein autofahrendes Kind! (Ke Huy Quan als Waisenknabe Short Round) Wir haben riesige Käfer! Wir haben Menschenopfer! Wir haben Affenhirn auf Eis! Orientierte sich »Raiders« noch einigermaßen brav am linearen Erzählverlauf klassischer Abenteuergeschichten, bricht mit »Indiana Jones and the Temple of Doom« endgültig die Ära der postmodernen kinematographischen Wundertüten an: Zitate-Slalom, Action-Kaskaden, Genre-Flickwerk. Kino nicht mehr als planvolles Spinnen von Ereignisfäden sondern als Böllerwerfen nach dem Lustprinzip. Zing! Boom! Whack! Blam! »Wow! Holy Smoke!«

1989 | »Indiana Jones and the Last Crusade«

»Dad!« – »What?« Der dritte Beitrag zur Reihe greift einerseits auf bewährte Ingredienzen des ersten Teils zurück – ein hochberühmter mythologischer Gegenstand als Jagdobjekt, abgefeimte Nazis und einer ihrer gewissenlosen Büttel als Kontrahenten –, andererseits erzeugt Steven Spielberg durch die Einführung von Professor Henry Jones, Sr. (patriarchal: Sean Connery) in das abenteuerliche Geschehen eine in diesem Zusammenhang neuartige Form zwischenmenschlicher Dynamik und damit eine gewisse psychologische Vertiefung der Hauptfigur. So ist die Suche nach dem Gral, die Indiana Jones im Jahre 1938 unter anderem nach Venedig (»Ah, Venice!«) und in das hakenkreuzgeschmückte Berlin führt, zugleich eine (turbulente) Expedition zum Born des ewigen Lebens und ein (unbeirrter) Kampf gegen das absolut Böse wie auch die (amüsante) Darstellung einer heiklen Vater-Sohn-Beziehung. Indy: »Archaeology is the search for fact ... not truth.« – Dad: »You call THIS archaeology?« Natürlich mündet die intergenerationelle Entfremdung in familiäres Einverständnis, denn bei aller Verschiedenheit der Temperamente teilen Jones, Sr. (»Actually, I was a wonderful father.«) und Jones, Jr. (»Don’t call me Junior!«) nicht nur das folgenreiche Interesse für dieselbe blonde Frau fatal (Alison Doody als Dr. Elsa Schneider) und die inbrünstige Leidenschaft für ihrer beider Metier sondern auch (und vor allem) ein Gespür für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. (»Indiana ... let it go.«)

2008 | »Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull«

»We will change you from the inside. We will turn you into us. And the best part? You won't even know it's happening.« 1957: America the Beautiful sonnt sich im goldenen Dämmerlicht der Eisenhower-Ära; aber hinter beschaulichen Suburbia-Fassaden lebt die Nation in panischer Angst vor (roter) Subversion; Atombomben explodieren testweise in den Wüste und versprechen doch längst keine Sicherheit mehr vor dem scheinbar allgegenwärtigen Feind. Fast zwanzig Jahre nach seinem letzten heroischen Einsatz kehrt ein legendärer Abenteurer – mit Hut, Peitsche und ein paar Falten mehr im wohlbe­kannten Gesicht – zurück in eine grundlegend veränderte, in eine zutiefst verunsicherte Welt. In ihrer unerschrockenen (vielleicht etwas zu digital geratenen) Wiederbelebung des Indiana-Jones-Mythos verdichten Steven Spielberg und Drehbuchautor David Koepp die populären (Film-)Themen der 1950er Jahre – youth culture (»The Wild One«), red scare (»Invasion USA«), nuclear warfare (»Duck and Cover«), mind control (»Toward the Unknown«), extraterrestrial intelligence (»It Came from Outer Space«) – zu einer fantastischen Hatz bis an die Quellen der Erkenntnis, und koppeln dabei einmal mehr auf unterhaltsam-elegante Weise metaphysische Spekulation mit reiner filmischer Dynamik. Dazu bietet »Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull« eine Variante des im vorangegangen Teil entwickelten Vater-Sohn-Konflikts (mit Shia LaBeouf als juvenil-schmalztollem Brando/Dean-Verschnitt Henry III), ein fabelhaftes kommunistisches Scheusal (Cate Blanchett als pagenköpfiges Stalin-Flittchen Irina Stalko) und die Wiederbegegnung mit einer (nur äußerlich) gereiften, guten alten Bekannten (Karen Allen als Marion ›We never seem to get a break, do we?‹ Ravenwood) … »Thinking about the Unthinkable« lautet der Titel eines Bestsellers der Epoche – konsequent wie wenige andere Regisseure macht sich Spielberg diese Devise immer wieder spielerisch zu eigen.

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