6. Juli 2014

Abschiedsvorstellung

Kino | »Aimer, boire et chanter« von Alain Resnais (2014)

Dernière eines großen Regisseurs. Das letzte Bild des letzten Films von Alain Resnais zeigt eine Beerdigung. Der Unsichtbare, um den die Handlung kreiste, derjenige, der, ohne in Erscheinung zu treten, die Beziehungen von drei Paaren auf die Probe stellte, wird zu Grabe getragen. Die Kamera blickt von oben auf die herbstliche Szene. Der Priester bedenkt den Heimgegangen aus dem Off mit freundlichen Worte, die sechs Personen des Stücks sind noch einmal versammelt, sagen stumm adieu, werfen rote Rosen auf den geschlossenen Sarg, gehen nacheinander ab, ganz zum Schluß kommt ein junges Mädchen (wie der Verstorbene war sie bislang dem Auge des Publikums entzogen), legt statt einer Blume das Bild eines geflügelten Totenschädels auf den Sargdeckel. Danach das Wort »Fin«, weiß auf schwarz, schnell kleiner werdend, in der Mitte der Leinwand verschwindend. Ein Lebenswerk ist abgeschlossen. Etwas substantiell Neues hat der Meister seinem Œuvre nicht mehr hinzugefügt: eine weitere Adaption einer Gesellschaftskomödie von Alan Ayckbourn, ein weiteres Spiel mit gut aufgelegten Darstellern (Sabine Azéma in ihrem zehnten Resnais-Film, André Dussolier in seinem siebten, Sandrine Kiberlain gibt ihr Debüt) in apart stilisierten Kulissen (Jacques Saulnier, Resnais’ chef décorateur seit »Marienbad«, zaubert eine ganze Welt aus farbigen Papierbahnen und wenigen Requisiten), angesiedelt irgendwo zwischen Sacha Guitry und Seifenoper. Dazu, wie so oft beim strengen Formalisten Resnais: gliedernde Intermezzi (in diesem Fall Autofahrten durch die nordenglische Provinz und ein grinsender Maulwurf) – und, wie so oft beim begeisterten BD-Fan Resnais: Comic-Illustrationen (diesmal nicht von Floc’h sondern von Blutch). Ein Testament? Nein. Eher eine plaisanterie. Also ein überflüssiger Film? Ja. So überflüssig wie lieben, trinken und tanzen: »Sachons aimer, boire et chanter, / C'est notre raison d'exister, / Il faut dans la vie / Un brin de folie.« (Mit anderen Worte: doch ein Testament.)

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