DVD | »Tatort – Frau Bu lacht« von Dominik Graf (1995)
Schmetterlinge fliegen durch diesen Film, sie trinken den Schweiß der Lust und die Tränen des Mißbrauchs. Und ein Unwetter braut sich zusammen, ein gewaltiger Sturm, der wie ein Strafgericht über die Welt hinwegzufegen droht … Ein Toter liegt in einem längst nicht mehr gemeinschaftlich genutzten Gemeinschaftsraum in einem Münchner Neubaublock, der längst nicht mehr neu ist, sondern nur noch graukalter Beton, ein Wabenhaus der Einsamkeiten. Dem Mann, der im Leben als Konditor in einem Traditionsbetrieb arbeitete, wurde mit einer alten Armeepistole durch den Hals geschossen. Sita, die Witwe des Opfers, eine Thailänderin, die vor zwei Jahren mit ihrer kleinen Tochter Soey von der Heiratsvermittlung Flügel (!) an den Zuckerbäcker vermittelt wurde, stellt die Ermittlern vor abgründige Rätsel: Die Kommissare Batic und Leitmayr geraten in ein Jenseits im Diesseits, fallen hinab in eine fremde Welt, gerade so wie Alice in den Kaninchenbau. In dieser unheimlichen Tiefe, die nichts anderes ist als ein Spiegel des zum Greifen nahen Nebenan, treiben Knusperfrösche und beherzte russische Huren ihr Wesen, lauern Totengeister, die besänftigt werden müssen, und kultivierte Kinderfresser, die die Befriedigung ihrer niederen Instinkte zur höheren Freiheit erklären … Dominik Graf (Regie) und Günter Schütter (Drehbuch) entwickeln erzählerische Meisterschaft nicht dadurch, daß sie schnurstracks auf die Lösung des Falles zustreben, sondern indem sie Umwege nehmen, sich einen Jux machen, innehalten, Déjà-vus zulassen. Aus ebendiesen Abschweifungen, aus den grotesken Streiflichtern, aus dem Stop-and-go durch die Dinge des Lebens, aus den unerbittlichen Ausschnittvergrößerungen der Wirklichkeit erwachsen (voller dunkler Poesie) die Erkenntnis des Schreckens und eine Ahnung des Mitleids. PS: Aber wer ist Frau Bu? Man erfährt es nicht. Frau Bu lacht, sagt Soey. Worüber? Wer weiß …
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