20. Februar 2012

Verrat als schöne Kunst betrachtet

DVD | »Tinker, Tailor, Soldier, Spy« von John Irvin (1979) nach John le Carré

»Verrat«, schreibt die Journalistin Margret Boveri Ende der 1950er Jahre in ihrer großen Geschichte des politischen Treubruchs, »ist in unserem Leben zum Alltagsbegriff geworden. Der Inhalt des Verrates wechselt, indem sich das Rad der Geschichte dreht. Heute werden als Helden oder Märtyrer die gefeiert, die gestern als Verräter gehenkt wurden, und umgekehrt. Aber der Verrat bleibt bei uns, als sei er der dauernd sich wandelnde Schatten, der unserer Epoche zugehört.« Etwa zur selben Zeit wird in Großbritannien einer der spektakulärsten Spionagefälle des 20. Jahrhunderts ruchbar: die langjährige und höchst erfolgreiche Wühlarbeit der ›Cambridge Five‹, allesamt (zum Teil hochrangige) Geheimdienstoffiziere, im Dienste der Sowjets; John le Carrés Roman »Tinker, Tailor, Soldier, Spy« ist ein Echo dieser Vorgänge, gleichsam eine allegorische Darstellung der »Landschaft des Verrats« als psychologischer Thriller. John Irvins kunstvoll-spröder Adaption gelingt eine sehr getreue Umsetzung des trostlos-ironischen Tonfalls der Vorlage: In den schattenreich-farblosen Bilder herrschen Enge und Bedrückung; die rücksichtslose Offenlegung von Ehrgeiz und Hochmut, Argwohn und Neid als Antrieb menschlichen Handelns erinnert weniger an klassische Genrefilme als an Ingmar Bergmans sezierende Seelendramen. Die Breite der siebenteilige Fernsehserie wird dabei nicht nur zur triftigen Analyse des Phänomens ideologischer Verwirrung in seiner Endstufe (wenn im Nebel des Zweifels die Identitäten verschwimmen, die Seiten nicht mehr zu unterscheiden sind) genutzt, sie bietet auch – und vor allem – eine Bühne für bravouröse Schauspielerleistungen: Neben (um nur zwei Namen zu nennen) Alexander Knox als paranoid-klarsichtigem ›Circus‹-Chef ›Control‹ und Beryl Reid als sentimental-brillanter Analytikerin Connie Sachs glänzt Alec Guinness in allen Schattierungen von Grau, in allen Nuancen von Schweigen, in allen Halbtönen von Ernüchterung: Als Generationsgänger der Philby, Burgess, Maclean verleiht er seinem aus dem unverdienten Ruhestand reaktivierten Maulwurfsjäger George Smiley jene historische Authentizität, die – im Guten wie im Schlechten – nur Zeitgenossenschaft zu erzeugen vermag.

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