5. Februar 2012

Schatten von gestern

Kino | »Tinker, Tailor, Soldier, Spy« von Tomas Alfredson (2011)

Angelsachsen lieben komplizierte Ordnungsprinzipien wie ihr überkommenes Maßsystem, rätselhafte Sportarten wie Cricket, zweckfreie Gehirnakrobatik wie Kreuzworträtsel; in der Spionage (bzw. in der Spionageliteratur) fügen sich diese Spleens zum tödlichen Gesellschaftsspiel mit undurchschaubarem Regelwerk. Die Teilnehmer des (nur vordergründig ideologischen) Wettkampfes – sie sind zugleich die Figuren auf dem Brett, das die Welt bedeutet – verhalten sich nach Möglichkeit teilnahmslos, bewahren unter allen Umständen frostige Haltung; verbaler Dialog wird tunlichst durch starre Blickwechsel ersetzt. Eigentlicher Spielinhalt ist – im Gegensatz zur landläufigen Meinung – nicht das Abschöpfen externer Quellen, sondern die Jagd nach dem Verräter im Herzen des Teams. Erschwerend kommt für die Spieler hinzu, daß niemand weiß, zu welcher Mannschaft die Kombattanten gehören: Jeder Mitspieler könnte Partner sein oder Gegner – oder beides zugleich. Nach einem Roman von John le Carré inszeniert Tomas Alfredson ein solches Match mit erstklassigen Darstellern sowie ausgeprägtem Sinn für folgenschwere Details und die fundamentale Absurdität des Geschehens. »Tinker, Tailor, Soldier, Spy« reproduziert chamäleonhaft die desillusionierte Atmosphäre der 1970er Jahre (bzw. das hermetische Flair gewisser Filme dieser Ära), bietet, auf hohem stilistischen Niveau, intelligent-unterkühltes l’art pour l’art, das den Klassikern des Genres nichts Wesentliches hinzuzufügen hat.

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