21. März 2015

In einem schwarzen Spiegel

Zwei Filme von Camillo Mastrocinque

1964 | »La cripta e l’incubo« (»Ein Toter hing am Glockenseil«)

Ein dunkles Familiengeheimnis, ein einsames Schloß, ein verlassenes Dorf, eine Glocke die vom Wind geläutet wird – auf der Familie von Karnstein liegt ein uralter Fluch: Vor Jahrhunderten wurde eine der ihren wegen Hexerei gekreuzigt; der Geist jener vermaledeiten Sheena aber blieb lebendig und sucht die nachfolgenden Generationen heim. Graf Ludwig (Christopher Lee) fürchtet um das Wohl seiner Tochter Laura, die unter dem Bann der nachtragenden Ahnin zu stehen scheint. Ein schwarzromantischer Gruselfilm über Besessenheit und Rache, über Schuld, die nicht vergeht, und Vergangenheit, die unheilvoll wiederkehrt. Laura, von Alpträumen gequält, findet Zuspruch bei Ljuba, einer zärtlichen Fremden, die eines Tages in ihr Leben tritt – und doch geht von ebendieser liebevollen Trösterin eine tödliche Bedrohung aus. Ein Historiker mit dem doppeldeutschen Namen Friedrich Klauss, ein Mann der Fakten und der Aufklärung, dem Okkulten dennoch nicht abhold, wird herbeigerufen, das Mysterium zu ergründen. Ein traumverlorenes Nachtstück über Grabsteine ohne Namen, über seherische Krüppel, über Bilder, unter deren sichtbarer Oberfläche die eigentlichen Bilder schimmern – Mastrocinques freie Bearbeitung einer Novelle von Sheridan Le Fanu deutet die Welt als Palimpsest, als Überlagerung von verborgenen, verdrängten, verhüllten Erinnerungen, Schicksalen, Wirklichkeiten, von unmerklich waltenden Kräften, die irgendwann, vielleicht, hoffentlich offenbar werden. »Per quanto la realtà possa essere brutta, è sempre meno impressionante dei fantasmi della paura«, behauptet der Realist: »Auch wenn die Wahrheit brutal sein kann, so ist sie doch weniger bedrohlich als die Gespenster der Angst.«

1966 | »Un angelo per Satana« (»Ein Engel für den Teufel«)

Das ersten Einstellungen des Films zeigen einen Nachen, der über einen spiegelglatten herbstlichen See gleitet; ein Mann mit breitkrempigem Hut und dunklem Pelerinenmantel wird zu einem abgeschiedenen Dorf gerudert – die Szene evoziert Bilder von der letzten Überfahrt, von der Reise ins Jenseits, und tatsächlich fällt bald schon der Schatten des Todes auf die kleine Gemeinde am Ufer des stillen Wassers … Roberto Menigi (Anthony Steffen) kommt auf das Anwesen der Familie Montebruno, um eine nach 200 Jahren aus dem See geborgene Statue zu restaurieren; eine örtliche Legende aber sagt, daß die aus der Versenkung geholte Skulptur Kummer und Leid über die Bewohner des Ortes bringen wird. Das Standbild zeigt die schöne Maddalena de Montebruno in ihrer ganzen sinnlich-körperlichen Pracht, und es gleicht auf verblüffende Weise ihrer jungen Nachfahrin Harriet (Barbara Steele), die aus dem Pensionat nach Hause zurückkehrt, um ihr Erbe anzutreten. Ein weiteres Mal erzählt Mastrocinque von einer Heimsuchung durch böse Geister der Vergangenheit: Ein Schreckbild aus früher Zeit stülpt sich über ein unschuldiges Wesen, und so mutiert die züchtige Harriet zu einem männermordenden Vamp, zu einer sadistischen Hexe, deren wollüstige Arglist ein Chaos aus Mord und Selbstmord, Vergewaltigung und Brandstiftung heraufbeschwört. Wenn auch die Handlungsführung nicht immer ganz ausgegoren wirkt und sich der dämonische Spuk am Ende als Ausfluß einer ganz irdischen Schlechtigkeit erweist, tauchen doch Steeles kalte Erotik und gespenstige Motive wie lockende Rufe aus dem Schattenreich oder sprechende Gemälde die Schauemär in eine bemerkenswert hysterisch-morbide Atmosphäre.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen