DVD | »The Great Gatsby« von Jack Clayton (1974)
Poetisches Zeitbild, Revue des amerikanischen Traums, Geschichte einer großen Sehnsucht – Jack Claytons Verfilmung des Romans von F. Scott Fitzgerald (nach einem Drehbuch von Francis Ford Coppola) ist wenig bis nichts davon, und auch die reichlich kolportagehafte Handlung will kaum in die Gänge kommen. Vielleicht liegt es an der ohne jedes Feingefühl herumzoomenden und -schwenkenden Kamera (Douglas Slocombe), vielleicht an den vielen scheußlichen Überblendungen, vielleicht an der mal platt-illustrativen, mal schwerfällig-schleppenden Regie, daß »The Great Gatsby« nicht in den Rhythmus des Jazz Age findet, auch wenn Kostümbild, Ausstattung und Musikarrangements den einen oder anderen nostalgischen Schlüsselreiz setzen. Die gestalterischen Halbherzigkeiten sind um so bedauerlicher, als alle Mitglieder des großartigen Ensembles willens und fähig scheinen, ihr Bestes zu geben. Immer wieder spielen die Darsteller – Robert Redford in der Titelrolle des enigmatischen New Yorker Neureichen, Mia Farrow als übernervöses (und letztlich wertloses) Objekt der Begierde, Bruce Dern als Matador des Establishments, Lois Chiles als High-Snobiety-Girl, Karen Black als teures Flittchen, Scott Wilson als Vollstrecker aus dem Tal der Asche, Sam Waterston als Erzähler – an der transusigen Inszenierung ganz einfach vorbei, lassen immer wieder die Ahnung eines wunderbaren Films aufblitzen: Gatsby, der Reichtümer nur anhäuft, um die Zukunft nach dem Bild einer für immer vergangenen Vergangenheit zu malen, ist der romantische Held einer Welt, die, indem sie sich zerstört, zu ihrer Unschuld zurückzufinden hofft. Das grüne Licht, nach dem Gatsby hascht, das Signal auf der anderen Seite des Long-Island-Sundes, beim Haus der verlorenen Geliebten, bleibt so nah, so fern, so gegenwärtig, so unerreichbar wie das vor Zeiten gelebte oder verpaßte Leben, das, so oder so, niemals wiederkehren wird.
Kino | »The Great Gatsby« von Baz Luhrmann (2013
Eingebettet in eine überflüssige Rahmenhandlung – der Erzähler (Tobey Maguire), vom kurz zuvor Erlebten psychisch gebrochen, wird von einem Nervenarzt animiert, einen Roman zu schreiben, um sich seelisch zu entlasten –, aufgefüllt mit phrasenhaften Rückblenden, die den Figuren jedes Geheimnis nehmen, setzt Baz Luhrmann die Geschichte des unglücklichen Geldmagnaten und seiner unerfüllbaren Liebe überkandidelt-dreidimensional in Szene. Gestalterische Dezenz, kontrollierter Einsatz der filmischen Mittel oder etwa ein Gespür für andeutendes Erzählen waren noch nie Sache des Regisseurs, der in »The Great Gatsby« (einmal mehr) die inszenatorische Konfettikanone anwirft und billige Effekte amassiert wie sein Protagonist die fragwürdigen Dollars. Die Kamera schießt rauf und runter, rast hin und her, die Computer errechnen Kitschpostkarten von riesigen Landsitzen auf Long Island und glitzernden New Yorker Straßenschluchten, die Darsteller versinken im totalen Party-Glamour der Ausstattung, der Score ergeht sich in abgedroschenen Anachronismen, das legendäre grüne Licht, die Utopie, nach der Gatsby verlangend greift, strahlt hell wie eine Supernova. Wer will, mag diese katzengoldene Vulgarität für eine radikale Modernisierung des Stoffes halten, oder für subversive Trivialisierung, oder gar für das ästhetische Äquivalent eines entfesselten Kapitalismus, der ja auch keine geschmackliche Gnade kennt. Leonardo DiCaprio, überzeugend besetzt wie lange nicht mehr, spielt in der Titelrolle tapfer gegen den audiovisuellen Overkill an, aber angesichts der glitzernden Grobschlächtigkeit des vollsynthetischen Disneyland-Blendwerks verblaßt selbst die Aura eines Megastars … Hinter dem künstlichen Flitter liege der wirkliche Flitter, sagte einst Oscar Levant über Hollywood. Bei Luhrmann ist auch der echte Flitter falsch, und dahinter gähnt die Leere.
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