19. Februar 2013

Berliner Luft, Luft, Luft

Zwei Dokumentarfilme von Leo de Laforgue 

1950 | »Symphonie einer Weltstadt – Berlin, wie es war«

Der Titel läßt Walther Ruttmanns »Sinfonie einer Großstadt« anklingen, und wie das epochale Dokumentarfilmexperiment von 1927 spannt auch Leo de Laforgue einen kinematographischen Bogen zwischen Morgen und Abend der Metropole. Damit sind die Gemeinsamkeiten auch schon erschöpft. Wo Ruttmann, Maler und Architekt, Gegenwart und Dynamik der Viereinhalbmillionenstadt in ausdrucksstarken Bildern und virtuosen Montagen erfaßt, reiht Laforgue, Kameramann (unter anderem für Leni Riefenstahl) und Kulturfilmer, mehr oder weniger gelungene Schnappschüsse aus sentimental beschworener Vergangenheit aneinander. Im Jahre 1950 sind die in den 30er und 40er Jahren gesammelten Impressionen von Stadtschloß und Sechstagerennen, von Alexanderplatz und Siemens­werken nur noch Souvenirs an ein zertrümmertes Gestern. Warum dies alles in Schutt und Asche sank, wird indes geflissentlich außen vor gelassen – in einer einzigen Einstellung des Films sind im Hintergrund Hakenkreuze zu erahnen. Zu den Klängen flott arrangierter Gassenhauer ruft Kommentator Friedrich Luft mit sonorer Feuilletonistenstimme die Weltläufigkeit des Kurfürstendamms und die pittoreske Atmosphäre von Alt-Cölln ins Gedächtnis, schwärmt von der Anmut Potsdams und den Tieren im Zoologischen Garten, erinnert mit keinem Wort an völkischen Größenwahn, dem dies alles und noch viel mehr zum Opfer fiel. So soll denn auch das (ebenfalls bei Ruttmann entliehene) Schlußfeuerwerk der Symphonie nicht den hellen Schein der Bombennächte evozieren, sondern die festliche Ouvertüre bilden zu einem besseren, friedlicheren Kapitel in den Annalen der Stadt. Laforgues geschichtsvergessene historische Rückschau dürfte dazu kaum einen wesentlichen Beitrag geleistet haben.

1964 | »Gigant Berlin – Die erregendste Stadt der Welt«

Leo de Laforgues zweite, Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre in Farbe gedrehte, Weltstadtsymphonie nimmt ungeniert Motive des Vorgängerwerkes auf: Und es ward Morgen, und es ward Abend, und dazwischen ereignet sich dieses und jenes. Wieder zeigt die Kamera den Funkturm und Autorennen auf der Avus, den wochenendlichen Badespaß am Wannsee und mondänen Betrieb auf dem Kurfürstendamm. Mehr noch als Laforgues erste Metropolenrevue gleicht »Gigant Berlin« einem Sammelsurium des oberflächlich Interessanten. Hektische Schnittfolgen simulieren urbane Vitalität, ein bräsiger Kommentar versucht, großstädtisches Tempo zu machen, Elektronenklänge wechseln mit orchestraler Filmmusik. Aber statt filmischer Kontrastwirkung stellt sich X-Beliebigkeit ein, statt des intendierten audiovisuellen Querschnitts wuchert ein willkürliches Bild- und Tonkuddelmuddel zwischen bewegter Werbebroschüre (Wiederaufbau! Wirtschaftswunder! Westliche Modernität!) und politischer Wochenschau. Ins kunterbunte Allerlei der Eindrücke von Menschen, Häusern und Straßen werden ungeschickt historische Reminiszenzen und reportageartige Aufbereitungen bedeutungsvoller Zeitereignisse eingeklinkt: 20. Juli, Mauerbau, Kennedybesuch. Der dokumentarische Wert einiger Sequenzen ist evident, aber die Montage erreicht bestenfalls das Niveau eines provinziellen Bildspaziergangs.

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