22. Dezember 2012

Mein Vater, der Schauspieler

DVD»Das Wispern im Berg der Dinge« von Michael Althen und Dominik Graf (1997)

Ein kurzer Film über den toten Vater. Ein kurzer Film über den deutschen Nachkrieg. Zusammen mit dem Kritiker Michael Althen nähert sich der Regisseur Dominik Graf seinem Vater Robert (1923-1966), einem Schauspieler, der nach Erfolgen auf der Bühne von Mitte der fünfziger Jahre bis zu seinem frühen Tod in einer Reihe von bemerkenswerten Filmen (»Jonas«, »Wir Wunderkinder«) und Fernsehspielen (»Unsere kleine Stadt«) auftrat. »Das Wispern im Berg der Dinge« unternimmt den Versuch, eine biographische Leerstelle zu füllen, oder, anders gesagt: aus dem Loch, das der Tod des Vaters in die Lebensgeschichte des Sohnes gerissen hat, Gedanken und Bilder, Erinnerungen und Imaginationen zu bergen, und das Material zum intimen Portrait eines Abwesenden zu formen. Darüber hinaus entwickeln die Autoren am Beispiel von Robert Graf das Bild einer paradoxen Generation: Gleichermaßen kaputt und dynamisch, sehen sich die Überlebenden der welthistorischen Katastrophe außer Stande, ihre traumatischen Erfahrungen, das Geschehene und das Getane, offen zu thematisieren oder freimütig zu verarbeiten; zwar richtet sich ein instinktiver Abwehrreflex gegen alles Heldische, Laute, Demonstrative, doch Schande und Schrecken der Vergangenheit liegt über Zeit und Menschen des Wirtschaftswunders wie ein Bann, der nicht gelöst werden kann. Vielleicht, so Althen und Graf, erklärt sich daraus nicht nur das unheimliche Schweigen der Kriegs- und Aufbaugeneration sondern auch die sonderbare Gegenwartslosigkeit, die irreale Synthetik des bundesdeutschen Nachkriegskinos sowie die sowie die radikal antiemotionale gestalterische Abstraktion der frühen TV-Erzählungen. Ein kurzer Film über den Verlust. Ein kurzer Film über das Verlorensein.

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