DVD | »Drüben bei Lehmanns« von Herbert Ballmann und Rolf Schulz (1970 ff.)
Wem die »Drei Damen vom Grill« nicht kiezig-vermieft genug sind, wird »Drüben bei Lehmanns« bestens bedient. Die Serie erzählt, ohne jedes formale Chichi, erfrischend belanglose Episödchen rund um ein Lebensmittelgeschäft in der Ludwigkirchstraße im gutbürgerlichen Westberliner Stadtteil Wilmersdorf (bekannt durch die sprichwörtlichen Witwen). Inhaber Paul Lehmann (Walter Gross), die gute Seele des Viertels, eine Art Blockwart mit menschlichem Antlitz, kümmert sich eifrig um alle anfallenden Sorgen und Wehwehchen; sein Bruder Kurt (Gustav Knuth) muß ihm als Bezirksverordneter immer wieder dabei helfen, die kleine Welt zu retten; Pauls Frau Else (Brigitte Mira) gibt es der dankbaren Kundschaft derweil in Scheiben oder im Stück – gerne darf es auch ein bißchen mehr sein. Zum Knuddeln und Ohrfeigen: Fräulein (!) Edeltraud Plischke (unglaublich: Erika Rehhahn), die als wißbegierig-verquatschte, rollmops- oder salzgurkenfutternde Friseuse die beschauliche Gegend in emotionale Dauerwellen legt. Über allem schwebt der ferne, beruhigende Klang der Freiheitsglocke, in jeder Szene ist das heimatlich-metallische Aroma von Dosenfleisch aus Senatsreserven zu erschmecken. Es handelt sich, kurz gesagt, um einfältig-authentischen Frühsiebziger-SFB-Werbefunk-Unkult mit wachsweichem Herz und penetranter Schnauze. PS: Nur ein paar Gehminuten entfernt, in der Kufsteiner Straße, wohnte zur gleichen Zeit Ulrike Meinhof, aber die großen Erschütterungen der Ära müssen, wie es sich für den immerwährenden deutschen Vorabend gehört, natürlich draußen bleiben.
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