Kino | »Skyfall« von Sam Mendes (2012)
Wie es sich für einen klassischen spy thriller gehört, kommt dem britischen Geheimdienst gleich zu Beginn von »Skyfall« zunächst einmal die berühmte hochgeheime Liste abhanden, auf der zur Freude aller Schurken minutiös sämtliche staatstragenden Geheimnisse verzeichnet wurden. Der Drahtzieher des Informationsdiebstahls entpuppt sich als eine Art gefallener Engel der inneren Sicherheit, der mit MI6-Chefin ›M‹ (Dame Judy Dench) noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Auf der Spur der blondierten Kanaille (Javier Bardem) passiert Doppelnull James Bond (Daniel Craig) nicht nur diverse (von Roger Deakins atemberaubend fotografierte) Settings, er verwickelt sich auch in ein veritables Mutter-Sohn-Drama, das ihn schließlich an die Wurzeln der eigenen Biographie führt … Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat das Genre des Agentenfilms ein Problem: die Weltordnung, von der es erzählte, ist nicht mehr da. Dennoch werden stetig weitere Agentenfilme gedreht. Jedes neue Werk gestaltet die eigenen Nichtigkeit auf spezifische Weise: etwa indem es über das Fehlen der Existenzgrundlage einfach hinwegtäuscht oder aber indem es den wunden Punkt offen thematisiert. In »Skyfall« findet gar ein offizielles Hearing statt, in dessen Verlauf ›M‹ die Notwendigkeit traditioneller geheimdienstlicher Tätigkeit verteidigt und damit nebenbei auf der Daseinsberechtigung von Agentenfilmen beharrt – auch wenn die frontale Auseinandersetzung der Systeme einer obskuren Bedrohung aus dem Reich der Schatten gewichen sei. Ironischerweise rechtfertigt sie Inhalte und Formen des 20. Jahrhunderts vor dem Publikum des 21. Jahrhunderts mit dem Zitat eines Poeten aus dem 19. Jahrhundert: »Made weak by time and fate, but strong in will / To strive, to seek, to find, and not to yield.« Sam Mendes zieht aus dem Dilemma die einigermaßen clevere Konsequenz, keinen Weltkonflikt zu schildern, sondern eine interne, fast intime Affäre nachzuzeichnen. Gleichwohl – es handelt sich immerhin um einen Bond-Film! – wird der kleine Haufen schmutziger Wäsche mit viel Pulver zur Explosion gebracht. Zwischen den Entladungen versucht Mendes, den liebgewordenen Schablonenfiguren so etwas wie Tiefe einzuhauchen. Wie in allen Trivialfilmen, die nicht trivial sein wollen, gerät ihm dabei das Gefühl zur Sentimentalität, die Bedeutung zur Behauptung, die Größe zur (Über-)Länge.
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