2. Oktober 2012

Vabanque

DVD | »System ohne Schatten« von Rudolf Thome (1983)

»Du siehst aus, als hättest du fünf Millionen auf dem Konto.« – »Hab’ ich auch.« Es wird viel gespielt in »System ohne Schatten«, Schach und Roulette, Katz und Maus, Rollen und Musik (u. a. von Laurie Anderson), es wird um Geld gespielt und um Gefühle, um alles und um nichts … Der Computerexperte Faber (Bruno Ganz) trifft, zufällig oder schicksalhaft, auf den undurchsichtig-charmanten Gauner Melo (Hanns Zischler) und dessen verführerisch-spröde Freundin Juliet (Dominique Laffin). Mit intellektueller und erotischer Raffinesse verwandelt das Paar (?) den introvertierten homo faber in einen wagemutigen homo ludens, der die Sicherheit der bürgerlicher Existenz gegen den Nervenkitzel einer kriminellen Karriere tauscht. Durch Fabers Fachkenntnis gelingt es dem Trio, eine Bank um mehrere Millionen zu betrügen: Geschickte Software-Manipulationen transformieren flirrende Ziffern auf einem Monitor in Bargeld auf einem Zürcher Nummernkonto. Ganz so einfach ist Verbrechen natürlich nicht, es gibt Komplikationen mit einer rivalisierenden Bande und emotionale Verwerfungen innerhalb des Gespanns. Auf die Abenteurer warten Flucht und Trennung, wo sie vielleicht von Ruhe und Zusammengehörigkeit träumten … Eine lakonische Krimikonstruktion, eine brüchige Liebesgeschichte, ein Westberliner Zwischenzeitbild, auf eine Art auch die kühle Coming-of-age-Story eines unfertigen Erwachsenen – mit der ihm eigenen empathischen Distanz zeichnet Rudolf Thome (nach einem Drehbuch von Jochen Brunow) den Weg seines unheroischen Helden aus dem tristen Novembergrau der Mauerstadt, aus dem Einerlei des Alltags ins stimulierende Risiko, ins blanke Weiß des Schweizer Winters. Am Ende erlebt der Spieler den Verlust von Einsatz und Gewinn, doch beendet er die Partie nicht als Verlierer: Er hat so etwas wie Freiheit erlangt, einen Moment des Glücks im fallenden Schnee, ein unbefangenes Lachen über den Dächern der Stadt. (Melo: »Vielleicht will überhaupt niemand mehr Werte schaffen. Vielleicht gibt es ganz andere Dinge, die wichtig sind.«)

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