1983 | »An Englishman Abroad«
Based on a true event … Moskau, Ende der 1950er Jahre. Das ›Shakespeare Memorial Theatre‹ gastiert in der Sowjetunion. In der Pause einer »Hamlet«-Aufführung betritt ein besoffener Gentleman die Garderobe der Schauspielerin Coral Browne, kotzt in ihr Waschbecken und macht sich unter Mitnahme von Seife, Puder, Zigaretten sowie einer Falsche Whisky wieder aus dem Staub. Der ungebetene Gast ist kein anderer als der MI5-Agent, BBC-Journalist und Foreign-Office-Diplomat Guy Burgess, der wenige Jahre zuvor aus England floh, als seine Tätigkeit für den sowjetischen Geheimdienst ruchbar wurde. Trotz des eher unappetitlichen ersten Aufeinandertreffens entwickelt sich eine von Faszination und Sympathie getragene Bekanntschaft. Browne, die Burgess tatsächlich während einer Tournee in Moskau kennenlernte, spielt sich genüßlich selbst, Alan Bates verkörpert mit sensibler Verve den berühmt-berüchtigten Spion, der sich als Student in Cambrigde dem Kommunismus verschwor und als Gefangener seiner Ideale hinter den Eisernen Vorhang verschlagen wurde. Alan Bennett legt die kurze Begegnung als ironisch-melancholisches Konversationsstück an, er zeigt den Verräter nicht als gewissenloses Scheusal sondern als charmanten Weltverbesserer von der traurigen Gestalt, der im kalten, kleingeistigen Moskauer Grau dem Witz, dem Klatsch, dem Chic seiner bewegten Londoner Vergangenheit nachtrauert. Browne, die als Australierin mit distanziertem Blick auf englische Sonderbarkeiten sieht, findet nichts dabei, daß der Exilierte sich von ihr vermessen läßt, damit sie bei seinem alten Schneider in Savile Row einen Anzug für ihn bestellen kann – schließlich gibt es keinen Grund dafür, daß der Neue Mensch so schlecht gekleidet sein muß wie ein Sowjetbürger.
1991 | »A Question of Attribution«
Based on another true event … London, Ende der 1970er Jahre. Seit geraumer Zeit ist dem britischen Geheimdienst bekannt, daß Sir Anthony Blunt, brillanter Kunsthistoriker und Direktor der königlichen Gemäldesammlung, wie sein Cambridger (Studien-)Freund Guy Burgess aus ideologischer Überzeugung für die Sowjets gespitzelt hat. Aufgrund seiner delikaten Position, mithin um einen royalen Skandal zu vermeiden, hatte Blunt die Zusicherung von Straffreiheit erhalten, wenn er gegenüber den zuständigen Organe absolute Offenheit im Hinblick auf seine Tätigkeit und seine Kontakte walten ließe (was er freilich geschickt zu vermeiden versteht). Alan Bennett kontrastiert die Geschichte des so kultivierten wie undurchsichtigen Verräters mit der Restaurierung eines Tizian-Gemäldes, dessen Bearbeitung immer neue, zuvor verborgene Schichten enthüllt. Die bissig-brillante Studie über Täuschung und Geheimnis findet ihren doppelbödigen Höhepunkt in einem zufälligen (?) Zusammentreffen zwischen Blunt (geistreich-blasiert: James Fox) und der Königin (hintergründig-naiv: Prunella Scales) im Buckingham Palace: ›H.M.Q.‹ verwickelt den eloquenten Gelehrten in eine scheinbar harmlose Konversation über Betrug und Fälschung am Beispiel des abgründigen Bildes von Tizian. Blunt hält das Wort »fake« (auch) in diesem Zusammenhang für unzutreffend. »If something is not what it claims to be, what is it?« fragt die Monarchin, halb amüsiert, halb indigniert. »An enigma?« schlägt der Mann mit den (mindesten) zwei Gesichtern vor. (Nicht nur) mit diesem Dialog gibt Bennett der unvoreingenommenen Betrachtung den Vorzug vor der von vornherein feststehenden Zuschreibung.
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