»Time is so old and love so brief, / Love is pure gold and time a thief.« Berlin, 1945. Nelly (Nina Hoss) kehrt aus dem Konzentrationslager zurück. Ihr Gesicht ist entstellt. Ihre Seele ist erloschen. Nelly bewegt sich wie eine Marionette durch die Ruinen. Sie sucht sich selbst, sie sucht ihren Mann. Johnny (Ronald Zehrfeld) hat seine jüdische Frau einst vor den Verfolgern versteckt. Vielleicht auch an sie verraten. Nelly und Johnny treffen sich. Er erkennt sie nicht wieder. Johnny will die vermeintlich Fremde in Nelly verwandeln. Er will sich das Vermögen der Totgeglaubten aneignen. Nelly spielt mit. Um bei Johnny zu sein. In der Hoffnung, er begreife die Wahrheit. In der Hoffnung zurückzufinden, zu ihm, zu sich selbst … Im Gegensatz zu J. Lee Thompson, der Hubert Monteilhets Roman »Retour des cendres« 1965 als grotesken Thriller adaptierte, verwandelt Christian Petzold den bizarren Stoff in ein geisterhaftes Melodram über etwas, das gestorben und doch unverwüstlich ist. »Phoenix« ist pure (Kino-)Konstruktion, methodische Figurenaufstellung, klinische Untersuchung von Phänomenen wie Bruch und Dauer, Schuld und Verständnis, Liebe und Zeit. Während Stefan Wills sparsam eingesetzte Musik, die bald noirische Klangschatten wirft, bald melancholisch über ein Thema von Kurt Weill (»Speak Low«) fantasiert, eindringliche Stimmung erzeugt, sind das äußerst reduzierte Szenenbild (das – abgesehen von ein paar dekorativ arrangierten Schutthaufen – weder die konkrete Anschauung einer zerstörten Stadt noch eine Ahnung von den mentalen Verwüstungen des Nachkriegs gibt) sowie die Verkörperung von erschütterten, gezeichneten Menschen durch stets beherrschte, wohlgenährte Darsteller wohl nur im Rahmen einer so extremen Abstraktion zu akzeptieren, wie Petzold sie betreibt. »The curtain descends, / Everything ends too soon, too soon.«
13. Oktober 2014
Schutt und Asche
Kino | »Phoenix« von Christian Petzold (2014)
»Time is so old and love so brief, / Love is pure gold and time a thief.« Berlin, 1945. Nelly (Nina Hoss) kehrt aus dem Konzentrationslager zurück. Ihr Gesicht ist entstellt. Ihre Seele ist erloschen. Nelly bewegt sich wie eine Marionette durch die Ruinen. Sie sucht sich selbst, sie sucht ihren Mann. Johnny (Ronald Zehrfeld) hat seine jüdische Frau einst vor den Verfolgern versteckt. Vielleicht auch an sie verraten. Nelly und Johnny treffen sich. Er erkennt sie nicht wieder. Johnny will die vermeintlich Fremde in Nelly verwandeln. Er will sich das Vermögen der Totgeglaubten aneignen. Nelly spielt mit. Um bei Johnny zu sein. In der Hoffnung, er begreife die Wahrheit. In der Hoffnung zurückzufinden, zu ihm, zu sich selbst … Im Gegensatz zu J. Lee Thompson, der Hubert Monteilhets Roman »Retour des cendres« 1965 als grotesken Thriller adaptierte, verwandelt Christian Petzold den bizarren Stoff in ein geisterhaftes Melodram über etwas, das gestorben und doch unverwüstlich ist. »Phoenix« ist pure (Kino-)Konstruktion, methodische Figurenaufstellung, klinische Untersuchung von Phänomenen wie Bruch und Dauer, Schuld und Verständnis, Liebe und Zeit. Während Stefan Wills sparsam eingesetzte Musik, die bald noirische Klangschatten wirft, bald melancholisch über ein Thema von Kurt Weill (»Speak Low«) fantasiert, eindringliche Stimmung erzeugt, sind das äußerst reduzierte Szenenbild (das – abgesehen von ein paar dekorativ arrangierten Schutthaufen – weder die konkrete Anschauung einer zerstörten Stadt noch eine Ahnung von den mentalen Verwüstungen des Nachkriegs gibt) sowie die Verkörperung von erschütterten, gezeichneten Menschen durch stets beherrschte, wohlgenährte Darsteller wohl nur im Rahmen einer so extremen Abstraktion zu akzeptieren, wie Petzold sie betreibt. »The curtain descends, / Everything ends too soon, too soon.«
»Time is so old and love so brief, / Love is pure gold and time a thief.« Berlin, 1945. Nelly (Nina Hoss) kehrt aus dem Konzentrationslager zurück. Ihr Gesicht ist entstellt. Ihre Seele ist erloschen. Nelly bewegt sich wie eine Marionette durch die Ruinen. Sie sucht sich selbst, sie sucht ihren Mann. Johnny (Ronald Zehrfeld) hat seine jüdische Frau einst vor den Verfolgern versteckt. Vielleicht auch an sie verraten. Nelly und Johnny treffen sich. Er erkennt sie nicht wieder. Johnny will die vermeintlich Fremde in Nelly verwandeln. Er will sich das Vermögen der Totgeglaubten aneignen. Nelly spielt mit. Um bei Johnny zu sein. In der Hoffnung, er begreife die Wahrheit. In der Hoffnung zurückzufinden, zu ihm, zu sich selbst … Im Gegensatz zu J. Lee Thompson, der Hubert Monteilhets Roman »Retour des cendres« 1965 als grotesken Thriller adaptierte, verwandelt Christian Petzold den bizarren Stoff in ein geisterhaftes Melodram über etwas, das gestorben und doch unverwüstlich ist. »Phoenix« ist pure (Kino-)Konstruktion, methodische Figurenaufstellung, klinische Untersuchung von Phänomenen wie Bruch und Dauer, Schuld und Verständnis, Liebe und Zeit. Während Stefan Wills sparsam eingesetzte Musik, die bald noirische Klangschatten wirft, bald melancholisch über ein Thema von Kurt Weill (»Speak Low«) fantasiert, eindringliche Stimmung erzeugt, sind das äußerst reduzierte Szenenbild (das – abgesehen von ein paar dekorativ arrangierten Schutthaufen – weder die konkrete Anschauung einer zerstörten Stadt noch eine Ahnung von den mentalen Verwüstungen des Nachkriegs gibt) sowie die Verkörperung von erschütterten, gezeichneten Menschen durch stets beherrschte, wohlgenährte Darsteller wohl nur im Rahmen einer so extremen Abstraktion zu akzeptieren, wie Petzold sie betreibt. »The curtain descends, / Everything ends too soon, too soon.«
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