Antwerpen, Westberlin, Köln – drei Filme von Ernst Hofbauer
1964 | »Tim Frazer jagt den geheimnisvollen Mister X«
»J’ai péché.« Eine geheimnisvolle Mordserie erschüttert Antwerpen: Alle zehn Tage stirbt ein Hafenarbeiter durch einen Stilettstich in den Rücken. Der überforderte Inspektor Stoffels (Paul Löwinger) erhält Verstärkung aus London: Tim Frazer (Adrian Hoven) stellt fest, daß Opfer und Täter durch Mitgliedschaft in einer Bande von Rauschgiftschmugglern – beteiligt sind unter anderem eine frivole Schankwirtin, eine leopardige Barbesitzerin und der hinkende Konsul von Anatolien – miteinander verbunden sind … Die ausgedehnten Hafenanlagen Antwerpens und die winkligen Straßen der Altstadt bilden die atmosphärische Kulisse für eine (abgesehen von einigen expressiv beleuchteten Nachtszenen, ein paar überraschenden jump-cuts à la Godard sowie zwei visuell recht attraktiven Verfolgungsjagden auf eine Klappbrücke und durch die Röhre des Sint-Annatunnels unter der Schelde) eher behäbig inszenierte Krimiplotte (die mit Francis Durbridges »Tim Frazer«-Romanen nichts zu tun hat); mindestens ebensosehr wie für die Aufklärung der Bluttaten interessiert sich Ernst Hofbauer für weibliche Dekolletés, denen zu dekorativen Folterzwecken schon mal eine glühende Zigarette gefährlich naherückt. Eine gewisse Originalität beweist die Besetzung Ady Berbers: In den Edgar-Wallace- und Mabuse-Filmen auf die Rolle des debilen Schergen abonniert, darf sich der sympathische Wiener Koloß in diesem Falle einmal als tapferer Helfer der Gesetzeshüter beweisen.
1966 | »Schwarzer Markt der Liebe«
»Für eine ausgedehnte Tournee durch den Nahen Osten sucht die Direktion einige gutaussehende Mädchen mit Tanzkenntnissen.« Der alerte Harald von Gröpen (Claus Tinney) und sein flotter Kompagnon Rolf (Rolf Eden) locken gutgläubige Fräuleins in die Falle und verhökern das Frischfleisch an den Meistbietenden – wobei die Abnehmer auch schon mal blutig über den Löffel balbiert werden. Nachdem er sich in Genua lebensgefährliche Schwierigkeiten eingehandelt hat, entwischt Harald nach Westberlin, wo er gutgebauten Nachschub zu organisieren gedenkt … Ernst Hofbauer präsentiert nicht nur die allbekannten Attraktionen der Halbstadt – Europa-Center und Funkturm, Café Kranzler und Kurfürstendamm –, er bietet auch ein indiskretes Röntgenbild ihres verborgenen (und verdorbenen) Innenlebens. Die Handlung des Films, »frei erfunden« nach einem »Tatsachenbericht«, kurvt um diverse weibliche Rundungen, hinterläßt ein paar männliche Leichen, mündet schließlich in eine halluzinatorische Marihuana-Party. Anwesend sind – neben einer (noch) unberührten Blondine – allerlei trübe Gestalten, die verschlagen in die Kamera grinsen: Laura, Seine Exzellenz, Dr. Bergheim, Antoinette, Nicole, Madame Nahid, Mr. Simoni mit Gattin Gertrud sowie die lesbische Gräfin Chodkowski (Tilly Lauenstein), Besitzerin einer Unterwäsche-Boutique und eigennützige Sponsorin der skrupellosen Mädchenhändler. (Es fehlt allerdings Konsul Karbach, der nur dann in Ekstase gerät, wenn vor seinen Augen acht oder zehn weiße Mäuse totgetrampelt werden.) Irgendwie erinnert die ebenso lüsterne wie gefühllose Festgesellschaft an das bizarre Gelichter, das Patrick Modiano in seinen phantastisch-realistischen Pariser Okkupationsromanen beschreibt. Ein Percussion-Solo des Jazzmusikers Toby Fichelscher – im Vorspann »Bongo Tobby« genannt – liefert den frenetischen Sound dieser abgrundtiefen, alptraumgeschwängerten Nacht, die für alle Beteiligten ein böses Erwachen bereithält.
1967 | »Heißes Pflaster Köln«
»Man ist nicht sehr fein im ›Chicago am Rhein‹.« Köln – das bedeutet Dom und ›4711‹, Karneval und Millowitsch. Aber die Stadt hat auch eine andere Seite: Klingelpütz und Bandenkriege, gewerbsmäßige Unzucht und sittliche Verrohung. Da erweisen sich gutkatholische Hausväter als regelmäßige Bordellgänger, da peitschen Ganoven hohnlachend ihre Rivalen zu Tode, da wird ein rechtschaffener Staatsanwalt von Halunken terrorisiert, da foltern sadistische Teenagerinnen ein armes, altes Tantchen mit dem Toaster … Zentralfigur der kriminalistischen Milieustudie ist der proletenhafte Zuhälter Paul Keil (Arthur Brauss), der einerseits mit allen Mitteln die Verurteilung seines unter Mordanklage stehenden Bruders verhindern will, sich andererseits zugewanderter Konkurrenz erwehren muß: Der geleckte Wiener Strizzi Poldi (Walter Kohut) wirbt ohne jede Scheu Straßendirnen für seinen neu errichteten Luxuspuff: »Hier ist alles exklusiv und exquisit.« Geschickt verknüpft Ernst Hofbauer seinen Zug durch die Kölner Unterwelt mit Seitenblicken auf gefallene Mädchen und feige Bürgersöhne, in triste Hinterhöfe und tiefe Ausschnitte. Herbert Fux, Klaus Löwitsch und der fette Eric Pohlmann machen gute Figur in markanten Nebenrollen; Hans Jura, dessen filmpreisgekrönte Kameraarbeit schon Will Trempers ironischem Westberliner Sittenbild »Die endlose Nacht« den authentischen Schliff gab, verleiht auch Hofbauers Sex-and-Crime-Reißer einen kühlen dokumentarischen Anstrich. Zwar bringt der Showdown (wie zu erwarten war) die (vermutlich nur vorübergehende) Wiederherstellung von Recht und Ordnung, doch ein illustriertenmoralischer Schlußkommentar fordert den Zuschauer auf, sich damit nicht zufrieden zu geben: »Könnten wir alle nicht mehr, als wir es tun, dazu beitragen, Auswüchse zu bekämpfen, Verbrechen zu verhindern?«
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