4. Februar 2015

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Buch | »Fritz Lang – Ich bin ein Augenmensch« von Norbert Grob (2014)

Geboren 1890 als Sohn eines Wiener Bauunternehmers, aufgewachsen in gutbürgerlichen Verhältnissen, früh begeistert vom Kinematographen, das Architekturstudium abgebrochen, nach Paris gegangen, um zu malen, viel Zeit im Kino verbracht, im Ersten Weltkrieg gekämpft und verwundet, Drehbücher verfaßt, nach Berlin übersiedelt, weiter geschrieben, bald schon selbst Regie geführt, mit 30 das erste Meisterwerk inszeniert: »Der müde Tod« – Fritz Lang gehörte zu denen, die zwar nicht die Grundlagen des Kinos aber seine Sprache, seinen Ausdrucksform, seine Artikulation imaginiert, erschaffen, verfeinert haben: ein Pionier. Langs erste tastende Schritte im Medium folgen noch keinen ausgetretenen Pfaden sondern den ersten tastenden Schritte des Mediums selbst, und wie das Medium bewegte sich Lang mit Siebenmeilenstiefeln voran (womit er wiederum das Medium bewegte): »Dr. Mabuse«, »Die Nibelungen«, »Metropolis«, »Spione«, »M« – Großfilme, Zeitbilder, Visionen, Experimente … Norbert Grob zeichnet in seiner Fritz-Lang-Biographie – es handelt sich um die erste deutsche Veröffentlichung dieser Art seit Michael Tötebergs ›rororo‹-Bändchen von 1985 – ausführlich das wechselvolle Privatleben des Regisseurs nach (ohne jemals ins Boulervardesk-Indezente abzugleiten) und erschließt mit leidenschaftlicher Sachkenntnis das filmische Schaffen (ohne zu irgendeinem Zeitpunkt in blinde Schwärmerei zu verfallen). Grob beginnt mit Langs erstem Deutschlandbesuch nach über 20jähriger Emigration im Jahre 1956, erzählt dann die bewegte Lebens- und Werkgeschichte zwischen Wien und Berlin, Paris und Hollywood in einer epischen Rückblende, um mit den ernüchternden Erfahrungen eines ungeliebten Heimkehrers, der späten Würdigung der gewaltigen kreativen Leistung (insbesondere durch die Kritiker der »Cahiers du cinéma«) und dem melancholischen Portrait des unbeirrten Künstlers als alter Mann zu schließen. Anschaulich schildert Grob Entstehung und Bedeutung der legendären (und weniger legendären) Filme, stellt das amerikanische Werk – darunter Klassiker wie »Fury«, »Scarlet Street«, »The Big Heat« – dabei (vollkommen zu Recht) auf die Höhe des deutschen, er porträtiert mit Verve die Wegbegleiter und Wegbereiter: Thea von Harbou und Marlene Dietrich, David O. Selznick und Harry Cohn, Artur Brauner und Jean-Luc Godard, den Stoffaffen Peter und Lilly Latté (mehr als vier Jahrzehnte lang die Frau an Fritzens Seite, die, trotz allem, an ebendieser bis zum Ende 1976 ausharrte), er weist mit besonderer Hingabe auf die Signaturen hin, mit der Lang (fast) jede seiner Arbeiten versah: In so gut wie allen Filmen ist Langs eigene Hand zu sehen, wie sie schreibt oder wie sie schießt, wie sie würgt oder wie sie ein Kreide-M auf einen Mantel stempelt. Lang, das macht Grob deutlich, war kein einfacher Charakter, oft genug wohl auch kein besonders netter Zeitgenosse: Er war ein egomaner Gesellschaftslöwe, ein ausgemachter Fatalist und ein unerträglicher Pedant; er war aber auch ein engagierter Antifaschist, der persönlich half, wo er konnte, er war uneitel genug, sein Monokel abzusetzen, wenn er mit einem Produzenten verhandelte, der Monokel verabscheute, er war seinen Freunden ein aufrichtiger Freund – und wäre er, so sagte er selbst, nicht so ein unerträglicher Pedant gewesen, dann hätte er nie einen guten Film gemacht. Norbert Grobs mit fundiertem Fachwissen geschriebene, hervorragend strukturierte, anregend lesbare Biographie bringt den Menschen und den Künstler Fritz Lang ganz nahe: ein Standardwerk.

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