26. August 2022

Standbild (22)

Elbe

Außen. Strand. Tag. Ein bewölkter, blaßblauer Himmel überspannt den von flachen, grasbewachsenen Dünen gesäumten Uferstreifen. Nur wenige Meter vom Wasser entfernt sitzen zwei schlanke, elegant gewandete Reitersleute zu Pferde, links eine schöne, dezent geschminkte Frau von etwa dreißig Jahren im Damensattel auf einem Rappen, rechts ein circa vierzigjähriger Mann mit schmalem Oberlippenbart und markantem Kinngrübchen auf einem Schimmel. Die Frau trägt eine schwarze Melone, unter der ihr blondes, leicht gewelltes Haar, das im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden ist, hervorschaut, dazu ein silbergraues Kostüm mit gerade geschnittenem, wadenlangen Rock und rehbraune Handschuhe. In der rechten Hand hält sie eine lederne Gerte mit kugelrundem Knauf. Der Mann ist bekleidet mit einen weichen, kurzkrempigen, lichtgrauen Filzhut, einem taillierten gelbgrauen Sakko, staubgrauen Reithosen und weißen Handschuhen. Seine linke Hand faßt einen schlanken Stock aus hellem Holz, dessen oberes und unteres Ende glänzende Silberspitzen zieren. Die beiden Berittenen tragen jeweils schwarze Stiefel und, im Ausschnitt ihrer einreihig geknöpften Jacketts, weiße, schalartig gebundene Seidentücher. Sie halten die Köpfe leicht gesenkt und blicken auf eine im Sand liegende, leuchtend rote Rosenblüte, die kurz zuvor noch das Revers der Frau schmückte, nun aber von den anbrandenden Wellen des Flusses umspült wird. Das Paar gedenkt der verstorbenen Geliebten des Mannes, der bis vor nicht allzu langer Zeit Tag für Tag am Haus der unheilbar herzleidenden Freundin vorüberritt, um tröstend zu ihrem Fenster hinaufzugrüßen, und, als er selbst an Typhus schwer erkrankt darniederlag, von seiner zu diesem Zweck in Männerkleidung kostümierten Gattin edelmütig vertreten wurde.

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