24. September 2018

Standbild (19)

Unterwegs

Außen. Flußufer. Tag. Der kaum bewegten Oberfläche des breiten Wasserlaufs eignet die gleiche bleierne Farblosigkeit wie der geschlossenen Wolkendecke des Himmels. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses, in deren unmittelbarer Nähe zwei Frachtkähne hintereinander gegen die Strömung anfahren, sind dichte Reihen kahler Bäume sowie ein stattliches weißes Landhaus mit eingeschossigen Anbauten auszumachen, die von einem im Dunst verschwimmenden Höhenrücken überragt werden. Am diesseitigen Ufer, einer seichten, teilweise mit Holzbohlen gesicherten, von dürrem Gezweig spärlich bewachsenen Böschung aus planierten Schutt- und Erdklumpen, steht, die Füße von den flachen Wellen des Flusses umspült, eine Frau in weit vorgebeugter Haltung. Sie trägt einen knielangen schwarzen Mantel mit Dreiviertelärmeln, ihr schulterlanges, leicht gewelltes Haar fällt strähnig herab und verdeckt so das Gesicht. In der linken Hand hält die Frau ihren linken Schuh, einen schwarzen Riemchenpumps, den sie ins Wasser taucht, während sie ihn mit der rechten Hand zu säubern versucht. Seitlich hinter ihr, kaum einen halben Meter von der Uferkante entfernt, liegt eine geöffnete Handtasche auf dem nassen Boden, daneben steht ein großer schwarzer Koffer mit silbernen Beschlägen. Die Frau, Tochter jüdischer Eltern, vor einiger Zeit als Flüchtling ins Land gekommen, wegen mehrerer Fälle von Diebstahl und Mietbetrug zur Fahndung ausgeschrieben, wird sich in naher Zukunft den Behörden stellen, um ihr erwartetes Kind im Gefängnis zur Welt zu bringen und dabei zu helfen, die Unterlagen für ihre Bestrafung zusammenzustellen.

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