Kino | »Verfluchte Liebe deutscher Film« von Dominik Graf und Johannes F. Sievert (2016)
Vielleicht ist das unterhaltsame Kuddelmuddel, das Dominik Graf und Johannes F. Sievert in »Verfluchte Liebe deutscher Film« anrichten, dem Thema ihrer Dokumentation vollkommen angemessen, denn die Schöpfungen des (bundes-)deutschen Genrekinos, für die sich die beiden Regisseure interessieren (besser gesagt: haltlos begeistern), sind kaum in einen konsistenten filmhistorischen Zusammenhang zu bringen. Anders als in Hollywood oder Italien, wo die diversen Gattungen des Unterhaltungskinos über Jahrzehnte hinweg gediehen und in serieller Produktion üppige (Sumpf-)Blüten trieben, waren es in Deutschland (neben altgedienten Kämpen wie Alfred Vohrer oder Rolf Olsen) vor allem Außenseiter und Querköpfe, die in entschlossenen Alleingängen versuchten, Dynamik, Action und Körperlichkeit auf Zelluloid zu bannen. Mit der schieren Physis, so Graf und Sievert, habe der deutsche Film seit jeher ein ganz grundsätzliches Problem: Unsinnlichkeit, Reinlichkeit, Sittsamkeit seien ihm ins Erbgut eingeschrieben; zwischen der artifiziellen Glätte des Nachkriegskinos und der intellektuellen Aseptik des Autorenfilms gebe es diesbezüglich keinen Unterschied, der Schmuddelfaktor tendiere jeweils gegen null. In gestalterischer Hinsicht nicht sonderlich innovativ, kombiniert »Verfluchte Liebe deutscher Film« Filmausschnitte und Standfotos mit Gesprächen und Interviews. Zu Wort kommen Filmkritiker und -historikerInnen (Olaf Möller, Rainer Knepperges und (etwas zu ausführlich) Grafs Kölner Professorenkollegin Lisa Gotto) sowie Schauspieler, Produzenten und, vor allem, die drei Regisseure Klaus »Brandstifter« Lemke (ungehemmte Dampfplauderei), Roland »Deadlock« Klick (ironisch sublimierte Enttäuschung), Roger »Mädchen mit Gewalt« Fritz (stilvolle Gelassenheit). Auch wenn Graf und Sievert für ihre engagierte und anregende Erinnerungsarbeit rundheraus zu loben sind, ist es ein wenig schade, daß sie sich für Erkundungsfahrten in die (durchaus vorhandenen) exploitativ-trivialen Untiefen von »Papas Kino« (etwa im Spätwerk von Rudolf Jugert) ebenso wenig Zeit nehmen wie für das Erforschen von Verbindungen zwischen vermeintlichen Antipoden (siehe zum Beispiel den Auftritt von Alexander Kluges Lieblingsschauspieler Alfred Edel in Klicks »Supermarkt«). Am Ende bleibt die ernüchternde Erkenntnis, daß von einem deutschen Genrekino im eigentlichen Sinne gar nicht gesprochen werden kann: Es existiert keine Traditionslinie sondern lediglich ein Assortiment von mitunter exzentrischen, oft spektakulären, bisweilen meisterlichen Einzelstücken. (Ein zweiter Teil, der dieses trümmerhafte Kapitel deutscher Filmgeschichte – mutmaßlich bis in die 1980er Jahre – fortschreiben soll, wurde von Dominik Graf nach der Premiere der Dokumentation angekündigt.)
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