Paar
Innen. Wohnschlafzimmer. Tag. Die Wände des mit feingeripptem Sisalteppich ausgelegten Raums sind weiß gestrichen, die bewußte Kargheit der funktionalen Einrichtung wird durch einige dekorative Elemente aufgelockert. An der mittleren Wand stehen, fast in die linke Zimmerecke gerückt, ein schlichtes, einfarbig bezogenes Zweisitzer-Sofa und ein ebenso breiter einfacher Tisch mit weiß beschichteter rechteckiger Platte und Beinen aus schwarzem Vierkantrohr. Darüber hängt eine höhenverstellbare Deckenlampe mit hellem, halbkugelförmigen Stoffschirm. Auf einem oberhalb der Sitzecke mittels Metallwinkeln an der Wand befestigten Bord reihen sich zahlreiche Bücher, ein Tintenfaß, in dem eine lange Feder steckt, ein Becher mit Stiften, mehrere Massefiguren sowie ein zylindrisches Glasgefäß, das Kieselsteine enthält. Das Sofa wird flankiert von einer Miniaturharfe und einem vertikalen Arrangement von vier kleinen Motivtellern des italienischen Künstlers Piero Fornasetti, die gestalterische Abwandlungen ein und desselben puppenhaften Frauengesichts zeigen. Rechts davon gewährt eine offenstehende Kassettentür Sicht in einen schmalen Korridor. An der rechten Zimmerwand, in geringem Abstand vor einer breiten Nische, in die ein Rippenheizkörper eingelassen ist, steht eine schmucklose hölzerne Kommode mit drei Schubladen und einer Doppeltür. Auf dem Möbel haben ein Phonosuper SK 4, eine Radio-Plattenspieler-Kombination des Elektrogeräteherstellers Braun, volkstümlich als Schneewittchensarg bezeichnet, eine kleine Vase in Urnenform, ein aufgeklappter Reisewecker und eine Nachttischlampe mit röhrenförmigem Glaskörper ihren Platz, darüber hängt, stilvoll gerahmt, das ovale Bildnis eines jungen Herrn aus der Biedermeierzeit. Noch weiter rechts, unter der expressiven Darstellung eines traurig lächelnden Clowns, befindet sich eine mit dunklem Breitcord bezogene Bettcouch, neben der auf dem Teppichboden ein Paar flache Spangenpumps sowie ein schwarzer Fernsprechapparat vom Typ W 48 abgestellt wurden. Auf dem Sofa sitzt, breitbeinig und die Arme im Schoß verschränkt, ein Mann von ungefähr dreißig Jahren mit kurzgeschnittenen dunklen Haaren. Gekleidet in einen korrekten grauen Anzug und ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte, blickt er diagonal durch den Raum hinüber zur Bettcouch, auf der, mit abgewandtem Kopf und geschlossenen Augen, eine etwa fünfundzwanzigjährige blonde Frau liegt. Sie ist bekleidet mit einem hellgrauen Strickpullover, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen hinaufgeschoben sind. Über ihre Beine und ihren Bauch ist eine großkarierte Decke gebreitet. Der Mann und die Frau leben zusammen, ohne verheiratet zu sein. In der festen Überzeugung, daß er sich kein Kind wünschen würde, hat sie wenige Stunden zuvor eine Abtreibung vornehmen lassen, ohne ihn, der, zu spät um den Eingriff verhindern zu können, von einer gemeinsamen Bekannten über die Angelegenheit informiert wurde, von ihrer Schwangerschaft wissen zu lassen.